Januar 2010
Fotos: Benjamin Franz
Laudatio des Landgerichtspräsidenten Bernhard Ring:
Kann man Sinnlichkeit malen? oder Leichtigkeit? oder etwa gar eine Tugend?
Ja! - eine Behauptung wird erst einmal in den Raum gestellt, denn, so Joseph Beuys:„ Kunst ist eine revolutionäre Kraft“ ?und nach einer langen Denkpause fügte Beuys hinzu: „aber die einzige.“
Doch nun zum ausstellenden Künstler des heutigen Abends: Philipp Klein
Philipp Klein wurde 1960 in Mitterfels (LK Straubing, Niederbayern) geboren. Nach absolviertem Architekturstudium an der Technischen Universität München im Jahre 1985 wurde er Stadtbaumeister von Cham und arbeitet seit 1992 als freier Architekt, Künstler, Musiker und Autor in Bad Kötzting und Cham. Als ein Werkzeug sieht sich Klein, der Energie der Formen, Farben, Strukturen, Klänge einen Ausdruck zu verleihen.
Öffentliche und private Architekturen, Farbräume und Klangräume entstehen. Licht, Material, Volumen, Textur, Farbe und Form sind die Baustoffe der Ideen.
An die Malerei wurde Philipp Klein sehr früh herangeführt. Lehrer hatte er viele - in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts -, darunter auch namhafte Künstler der Region wie Hans Rieser und Alfred Kohlhäufl, denen sein Talent auffiel. Doch damals interessierten Philipp Klein keineswegs etwaige kunst-theorethischen Betrachtungen, es war einzig und allein die Technik der Malerei, das Tun und das entstehende Bild, das es vor seinem Tun nicht gab, und hier vor allem das menschliche Abbild, das Portrait. Schon als Jugendlicher portraitierte er jeden, der es zuließ und wenn nicht, entstanden Karikaturen.
Das Leistungsfach Kunst in der Kollegstufe ermöglichte den Umgang und das Erlernen gängiger Drucktechniken. Linol- und Holzschnitte, Radierungen und Siebdrucke entstanden Ende der 70er Jahre.
Der Gestaltungswille, sich in 3-dimensionalen Lebensräumen auszudrücken, führte Philipp Klein zur Architektur. In den vergangenen 3 Jahrzehnten gestaltete er zahlreiche Stadtquartiere, Platzräume und Wohngebäude.
Gibt es Unterschiede in der Denkweise zwischen Architekt und Maler?
Zunächst lässt sich feststellen: Beiden gemeinsam ist der Umgang mit den ästhetischen Mitteln wie Raum, Farbe, Licht, Bewegung, Material, Struktur, Volumen. Während der Architekt jedoch die reale Welt um sich herum künstlerisch konzipiert, projiziert der Künstler eine bereits in ihm existierende imaginäre Bilderwelt nach außen.
Beide Prozesse werden von denselben psychischen Energien inszeniert: Phantasie und Kreativität.
Beide entspringen derselben Logik des bildnerischen Denkens. Die Reaktionen, die sich beim Betrachter auslösen, werden herkömmlicherweise unter dem Begriff „des Schönen“ subsumiert.
Die Sprache des Architekten wie des Künstlers ist in erster Linie die Zeichnung. Der Entwurf eines Gebäudes gebiert sich im Tun. Die Idee bildet sich in der Skizze ab. Sie fließt zunächst absichtslos aus der Hand und wird dem Verstand zugänglich. So begleiten Hunderte von laufenden Metern Skizzen den Entstehungsprozess eines Entwurfes eines Gebäudes, in denen die reale Form vorweg genommen wird.
Der aus der Hand geflossene Plan wird dabei zum Gegenteil eines Abbildhaften. Der Plan ist die überhöhte, idealere Form als die es die Realität je zu werden vermag, folgt die Realität doch kausal-gesetzlichen Ordnungsprinzipien, die der Umsetzung der Idee oftmals im Wege stehen.
Lässt sich das Prinzip des idealisierten Bauplans auf eine essentielle Aussagekraft des dargestellten Dings übertragen, ist die Frage, der Philipp Klein heute, anders als vor 35 Jahren, in seinen Bildern nachspüren will.
Ist es möglich, das Dunkel der oberflächigen Schichten des Unbewussten zu durchdringen, und bewusst schöpferisch zu gestalten?
Diese Frage ist vordergründig nicht leicht zu beantworten, ist doch der Mensch selbst etwas Abbildhaftes, also ein „So-Gewordenes“, wie letztlich jedes Gebäude ein „So-Gewordenes“ ist, nachdem es den Zeichentisch des Architekten verlassen hat und materielle Zwänge, der konkrete Bauherr und viele Handwerker an der Umsetzung beteiligt waren.
Aus dem Plan ist letztendlich etwas Abbildhaftes geworden.
So stellt auch jeder Einzelne von uns nicht die Verkörperung eines Idealplans dar, sondern ist erst einmal – in medizinischen, psychologischen und soziologischem Sinne - ein Produkt seiner Gene, seiner Umwelt, seiner sozialen Bedingungen - all diese sind in der individuellen Ausführung festgeschrieben.
Kann man aber dahinter blicken und die Idee der „Architektur des Ichs“ oder des „Dings an sich“ sichtbar werden lassen?
Diese Frage erscheint theoretisch und philosophisch, aber kann man die philosophisch-theoretische Frage nicht doch auf die Beine stellen? Vielleicht in der Sprache der Kunst? Wahrscheinlich ja, man kann... (wir erinnern uns an die eingangs zitierten Worte Beuys) ansonsten übte jede formale Auseinandersetzung seit Menschheitsgedenken keine so große Anziehungskraft auf uns aus. Philipp Kleins Beruf als Architekt ist es, dem von ihm entworfenen Idealplan des Gebäudes zu verhelfen, in dessen Ausführung dergestalt auf die Beine zu stellen, einen Raum mit möglichst optimalen Entwicklungsbedingungen für dessen Bewohner zu schaffen.
Die Frage, die ihn in seiner Eigenschaft als Maler und Künstler beschäftigt, ist: Kann man dieses Prinzip von der Architektur auf die Malerei übertragen?
Wie kann auch ein Bild - ob nun herkömmliches Tafelbild oder 3-dimensionale Skulptur - vom ideellen Tun des Malers ausgehend, den Schritt zu einem konkreten bewohnbaren Raum der persönlichen Entfaltung des Betrachters einnehmen?
Also kann die Malerei wie die Architektur sich in den Dienst des Betrachters stellen? Diese Betrachtung erscheint wohl immer noch theoretisch und rauscht durchs Ohr. Also machen wir es dinglich!
Philipp Klein stellt in den Raum: Man kann die Philosophie einer Firma malen und das zum Nutzen des Betrachters.
Man kann die Architektur des Ichs malen und das zum Nutzen des Betrachters.
Und er geht noch weiter: auch die Sinnlichkeit ist darstellbar oder die gefühlte Leichtigkeit, oder das Maß an Tugend, einer Humanitas, wenn wir so wollen, aber dann, zum Nutzen des Betrachters.
Machen wir es sichtbar.
Wie sieht Gerechtigkeit aus, oder Klugheit, wie Sinnlichkeit, wie Leichtigkeit oder Erfolg?
Diesen Fragen spürt Klein in seinen Bildern nach. Vor diesem Hintergrund entstand neben der freien Malerei in den letzten Jahren die Idee des AMICUS, eines Kunstobjektes mit dem Ziel, Entwicklungen anzustoßen und zu fördern unter dem wichtigen und teilnahmsregen Lebensthema: mit sich selbst befreundet sein.
Einige der AMICUS-Arbeiten sind heute hier zu sehen. Der AMICUS ist ein mehrschichtiges Gemälde auf Glas. Der AMICUS leuchtet und ist schön, dem Wert der Schönheit als dem einzigen, jenseits der im humanistischen Sinne hervorgebrachten Tugenden gültigen, verpflichtet.
Farbe, Form, Leinwand, Papier, Glas und Licht - alles ist Energie. Diese Energie beeinflusst den Menschen, der sich mit ihr umgibt. Diese Energie will Philipp Klein in seinen Arbeiten nutzen, der Idee der Substanz Ausdruck zu verleihen. Das menschliche Gehirn bildet innerlich nach, was es sieht. Somit führt der AMICUS zu einer Begegnung der dargestellten Substanz mit sich selbst, deren psychischer Prozess der Übertragung sofort und unmittelbar auf die Substanz einsetzt.
Die Malerei im Dienste des Einzelnen, die Kunst als der Motor zur Entfaltung von innewohnendem Potenzial, - diesen Rahmen zu konkretisieren ist die Vision, die Klein antreibt.